Löst KI endlich kreative Silos auf?
17. Juli 2025

Link zum Artikel bei Campaign.
Neben der zunehmenden Qualität von KI-Kreationen – vor allem im Film – verändert sich etwas ganz Wesentliches am kreativen Entstehungsprozess: In allen Bereichen der Kreation verschmelzen die Abteilungen. Die Folge: Verantwortung wandert nach vorne. Ein Gastbeitrag von André Hennen und Henning Westerwelle von Curious Company.
Kaum ein Tag vergeht ohne einen neuen KI-(Spec-)Film. Wir loben die GenAI und feiern den Output. Doch vor lauter Bildgewalt übersehen wir das eigentlich Revolutionäre: Den neuen kreativen Prozess. Trotz VEO 3, Vibe-Coding und Echtzeit Development sind es nicht die Tools, die das Problem lösen – sondern die Teams: Der Writers Room ist jetzt gleichzeitig Produktion.
Und das gilt nicht nur für Film: In allen Bereichen der Kreation verschmelzen die Abteilungen. Drehbuch und Filmset, UX-Konzept und Code, Text und Sprache, Moodboard und Shooting – früher getrennt – heute eins. Die Kreation produziert live – und das verändert alles:
– Wir sehen, was wir meinen. Und das sofort.
– Teams arbeiten simultan, statt sequenziell.
– Konzeption und Umsetzung werden eins.
– Fehler oder Stilbrüche sind früh sichtbar.
Silos lösen sich auf. Wer Ideen sichtbar machen kann, übernimmt auch Verantwortung für Stil, Wirkung und Umsetzung. Niemand muss mehr warten, bis jemand anderes die Idee umsetzt. Wer denken kann, kann auch zeigen, wie es aussieht. Die Folge: Verantwortung wandert nach vorne. Die, die Ideen haben, sind plötzlich auch visuell und stilistisch federführend.
Der Türsteher der Kreation war die teure Umsetzung – bis 2025
Eine Idee muss dutzende Stationen überleben und bei jeder Hürde hoffen, dass die Verantwortlichen sie verstehen – und die nächste Stufe der seriellen Produktion freigeben. Das war immer so. Bis heute.
Früher war es oft so: Erst schließt sich die Strategie wochenlang ein. Dann die Kreation. Nach der Präsentation die Marketing-Abteilung. Dann wurde die Produktion langsam nervös, weil die Deadline gefährlich nahe rückte. Plötzlich ging alles ganz schnell – und Postproduktion und Sound badeten traditionell das mittlerweile enge Timing aus.
Heute brauchen wir nur ein Problem und setzen uns alle zusammen und denken, schreiben, prompten, produzieren, vibe-coden gleichzeitig. UX-Design und Code schreiben immer mit und am Ende haben wir “gefühlt” fertige Filme, Apps und Games, die wir testen können.
Wichtig: Das sind nur Zwischenstufen zu einem besseren Ergebnis!
Nichts davon kann man mit einem Minimum an Anspruch ernsthaft veröffentlichen. Aber es ist für alle Beteiligten viel hilfreicher als Moods, Layouts oder sogar Click Dummys, die man vorher hatte.
Kreativität war schon immer das Zusammenspiel aus Ideen und Handwerk. Heute sitzt das Handwerk im ersten Brainstorming. Die Tools für Motion, Audio, Visuals, Interfaces – alle da. In Echtzeit. Keine Wartezeiten, keine Übergaben.
Nichts ist wie früher. Wie wir denken. Wie wir pitchen. Wie wir verkaufen, hat sich verändert. Jedoch ist dieser “Change” so disruptiv, dass er dadurch manchmal übersehen wird. Denn er bricht 100 Jahre alte Arbeitsabläufe auf und macht, ob man es sich eingestehen will oder nicht, früher wichtige Berufsgruppen in ihrer Meinung erst mal obsolet. Aber die erste Regel der Thermodynamik gilt auch in der Kreation: Energie kann nicht vernichtet werden – sie wird nur umgewandelt. Apropos …
Was ist eigentlich mit Storytelling?
Wer dachte, der Job der Copywriter/Autoren wäre durch KI quasi verstorben, muss sich nur die aktuellen KI (Spec) Filme ansehen. Man schaut sie fasziniert an, lobt die Bildgewalt, die so schnell und günstig möglich ist. Aber schon zehn Minuten später hat man vergessen, was im Film passiert ist. Kurz: Die Story ist zu schwach.
Die Produktion kann besser texten als früher und Copywriter können besser produzieren. „Besser“ – aber noch lange nicht gut. Beide müssen mehr Respekt vor dem jeweils anderen Gewerk mitbringen und gemeinsam arbeiten. Im selben Prozess.
Die Frage ist weniger “kann ich?”, sondern “soll ich?”
Nur weil die Bilder so gut aussehen, überstrahlen sie kein mieses Script. Nur weil die App direkt funktioniert, ist sie noch lange nicht gut oder gar nachhaltig gebaut. Aber darum geht es eben auch nicht. Es geht um einen neuen Prozess: Create together – for real!
Der echte Gamechanger ist, wie radikal sich die Arbeitsprozesse verändert haben. UX, Web, Audio, Campaigning, Branding: Unser Agenturmodell ist 2025 vollkommen anders gebaut als noch 2020. Alle sind Kreative. Alle sind Produzierende. What a time to be alive!
Daher sagen wir bei Curious Company: Bringt alle zusammen! Macht mehr Hackathons. Testet, probiert, iteriert. Mehr eSports-Stimmung als Staffellauf. Weniger ewig ausgearbeitete Strategien, die zum Zeitpunkt der Umsetzung schon veraltet sind – mehr Lösungsmaschinen, Workshops und Prototypen im echten Leben.
So macht es doch eh am meisten Spaß, oder?
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