Curious Company: So tickt die ADC Rookie Agentur des Jahres
27. Mai 2025

Link zum Artikel bei Campaign.
Als Curious Company mitten in der Pandemie an den Start ging, wusste niemand so recht, wohin die Reise gehen soll. Eine Kombination aus Business, Story und Tech? Mittlerweile hat sich die Agentur mit ihren innovativen wie emotionalen Projekten einen Namen gemacht. Campaign Germany hat beim Gründungsteam der ADC Rookie Agentur des Jahres nachgefragt, wie’s läuft – und wie’s weitergeht. .
Einer der emotionalsten Momente der diesjährigen ADC Preisverleihung kam ganz am Anfang: Als Philipp Feit von German Wahnsinn die Laudatio auf Curious Company hielt und danach das Team auf die Bühne kam, sah man ein paar feuchte Augen. Diese Offenheit für Emotionalität merkt man auch den Projekten der Hamburger Agentur an. Sei es der einfühlsame Einblick in den Alltag von Obdachlosen (“Unhome” mit Gobanyo) oder die geschmackvolle Inszenierung eines “Zukunfts-Ichs” (für Neue Leben).
Gegründet wurde Curious Company von Henning Westerwelle, Julia Wübbe und André Hennen im Sommer 2020. Westerwelle hatte vorher seinen Job als Geschäftsführer der Produktionsfirma Infected an den Nagel gehängt, Wübbe war davor Senior Digital Producer bei Demodern und Hennen war als Freelance-Texter und Autor unterwegs. Mittlerweile hat die Agentur 12 Festangestellte – alle auf Senior- oder C-Level. Dazu kommt ein Freelancer-Pool für Spezialdisziplinen oder “Crunchtime”. Westerwelle kümmert sich als CEO um Business und Strategie, Julia Wübbe als COO um operative Prozesse und HR, Hennen als CCO um Storytelling und Branding. Komplettiert wird die Geschäftsführung von CTO Dennis Gabriel, der für Tech Production und Code zuständig ist.
Einer der wichtigsten Startkunden war Globetrotter. Das Projekt “VR Abenteuer” lief von 2019 bis 2022 und lockte viele Besucher in die Globetrotter-Filialen. Für den Kunden arbeitet die Agentur immer noch. Dazu kamen mit der Zeit Projekte für Siemens, Neue Leben und Europa Park. Aktuell arbeitet die Agentur außerdem für ZEIT für die Schule und Gustavo Gusto. Zuletzt sorgte das Team mit der Telekom-Kampagne “Miniatur Warmland” gemeinsam mit Grabarz & Partner für Aufsehen.
Eine Besonderheit bei fast allen Projekten der Agentur: Sie laufen immer noch. Keine kurzzeitigen Kampagnen, sondern langfristige digitale Marketing-Produkte – das hat sich zum USP von Curious Company entwickelt. Im Gespräch mit Campaign Germany verraten die Gründer:innen das Geheimnis ihres Erfolgs und ihre Zukunftspläne.
Warum hat eine Agentur wie eure bisher gefehlt? Was ist euer USP?
Henning Westerwelle: Wir verstehen uns als eine einzigartige Kombination aus Strategie-Beratung, Kreativ-Agentur und Digital-Produktion, die digital nachhaltige Produkte für Marken und Unternehmen entwickelt. Alles inhouse. Unsere Arbeiten streifen häufig die Themen Gamification oder Entertainment – sogar im seriösen B2B Umfeld, wo niemand damit rechnet.
Intern nennen wir das den “Business / Story / Tech-Circle”. Denn nichts geht ohne das andere und alles ergänzt sich. Dann bleibt das Produkt oder Projekt auch länger als ein Kampagnenzeitraum bestehen. Fast jedes unserer Projekte (außer Messe- oder Event-Installationen) ist noch live! Die werden in dieser Sekunde benutzt und wir können das in real-time auf unserer eigenen Tracking-Plattform Curi.OS nachverfolgen.
Julia Wübbe: Wir haben gemerkt, dass es tatsächlich ein USP unserer Arbeit geworden ist, für unsere Kunden “digitale Marketing-Produkte” zu entwickeln, die alle noch lebendig sind. Es wurde nichts gelauncht, um nach zwei Monaten Kampagnenzeitraum wieder abgeschaltet zu werden.
Andre Hennen: Damit brechen wir ein paar Silos in der Branche auf: Früher gab es Kreativagenturen für Storytelling, Consultancys für Business-Strategie und Digital-Produktionen für Technologie. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei. Es geht nur gemeinsam. Wir möchten, dass sich Menschen wirklich mit den Dingen beschäftigen – auf einer emotionalen Ebene – und freiwillig! “Why should people actually care?” Das klingt banal, wird aber viel zu oft nicht bedacht. Und diese hohe Kreationskompetenz und Nachhaltigkeit funktioniert nur, wenn wir vorher ganz klar strategische und wirtschaftliche Ziele mit unseren Kunden vereinbaren, um dann über den Hebel von starkem Storytelling und über relevante, neue und gut ausgewählte Technologie, Produktionen, Produkte und Kampagnen umzusetzen.
Ihr seid aktuell 12 Festangestellte. Wie groß wollt ihr werden?
Wübbe: Wir finden diese “Firmengröße = Anzahl der Mitarbeitenden” Rechnung veraltet. Und das hat nicht nur etwas mit KI zu tun. Unternehmen wie Valve (Half-Life, Alyx, Steam Store) werden auf 13 Milliarden Dollar Umsatz geschätzt und haben nur circa 330 Mitarbeitende. OnlyFans, mit einer Milliarde Umsatz, hat sogar nur 53 Mitarbeitende. Beide Beispiele sind natürlich aus unserer Sicht dreist hoch gegriffen, aber man sieht: Es funktioniert einfach anders heute.
Wenn wir merken, dass wir mehr Leute brauchen, dann bitte. Aber momentan ist es so, dass wir mit unserem vermeintlich kleinen Team alles realisiert bekommen. Es wird allerdings auch nicht leichter, die richtigen Leute zu finden. Bei uns steht “Curious” an der Tür und da geht’s eher um ein grundlegendes Mindset als um die Exzellenz mit einer speziellen Software. Die Leute, mit denen wir langfristig am allerbesten arbeiten können, haben alle wahnsinnig viel Spielfreude und Neugierde. Und davon profitieren unsere Kunden genauso wie unser ganzes Team. Die Einstellung ist wichtiger als der Werkzeugkasten.
Wie seid ihr organisiert, damit eure Projekte mit 12 Leuten stemmen könnt?
Westerwelle: Einer unserer Leitsätze ist “Move it forward, Lock it down”. Wir mögen es, zügig Entscheidungen zu treffen und uns daran zu halten. Das hilft, um Fokus und Klarheit auf Projekten zu halten. Wenn man zu viele Töpfe köcheln hat, verlieren alle die Übersicht, gerade bei Projekten, bei denen wir Dinge entwickeln, die es vorher vielleicht noch nie so gegeben hat.
Wir machen daher keine Meetings im traditionellen Sinn (viele Leute, viel Zeit – außer wir haben was zu feiern). Wenn ein Meeting länger als 25 Minuten dauert, ist das schon fast ein Alarmsignal: Da war man nicht gut vorbereitet, es fehlt eine klare Entscheidung oder sogar das Ziel des Meetings. Passiert aber fast nie.
Hennen: Das Einzige, was immer länger dauert, sind unsere internen Inspirations-Formate. Zum Beispiel “Curious Reload”: Da zeigen wir uns coole neue Sachen, die auf Ansage nichts mit unserem direkten Job zu tun haben sollen. Das klappt so halb, ist aber immer spannend! Ein paar der besten Sachen posten wir seit neustem auch auf unserem Instagram-Kanal. “Schlau werden mit …” sind richtige interne Vorträge. Das geht’s dann von ADHS über “Figma Deepdive” bis zu Museumsprojekten, die jemand parallel macht oder über die berufliche Vergangenheit bei arte.
Außerdem stimmen wir uns sehr schnell und flexibel untereinander per Chat oder Audio ab. Wenn man was braucht, mit seinem Bereich fertig ist, nicht weiterweiß oder einfach reden möchte. Unsere Kommunikation läuft über Discord, ein Messenger aus dem Pro-Gaming. Der bietet schnelle Drop-in-Kanäle, in die man kurz eintreten kann, reden und dann wieder raus. Eigentlich wie in einem Großraumbüro, nur halt remote.
Apropos Remote: Wo arbeitet ihr?
Wübbe: Remote, hybrid oder in unserem Office in Ottensen – alles ist möglich. Wir arbeiten eigenverantwortlich – wie und wo man das am liebsten macht, ist allen selbst überlassen. Einige sitzen in Berlin, die meisten in Hamburg, manche haben 4-Tage Woche, andere kommen fast jeden Tag ins Office, andere nur am Montag, unserem gemeinsamen Büro-Tag. Wir haben gemerkt, dass wir keine “Officepflicht” brauchen, denn wenn es nötig ist, kommen wir von selbst zusammen. Wir sind ja alle erwachsen.
Was uns auch wichtig ist: Wir sind ein Team und keine Familie. Denn die “echte” Familie (oder Freunde) sind wichtig und sollen es auch bitte bleiben, daher unterstützen wir Mobile Work und Teilzeit sowie Sabbaticals.
Wie geht ihr Projekte an?
Wübbe: Unsere Vorgehensweise ist Business / Story / Tech – in dieser Reihenfolge. Der Circle startet mit Business-Strategie, das muss wirklich sitzen, sonst klemmt es später: Es braucht ein definierbares Problem, Technologieoffenheit und Lust auf einen digitalen Prozess. Dann kommt Story – die Übersetzung von manchmal etwas drögem Inhalt in eine emotionale, gerne immersive Story. Die User:innen gucken nicht nur zu, sondern handeln aktiv. Ohne sie geht die Story nicht weiter, wie bei einem Buch. Zur Story gehört aber auch die gesamte visuelle Welt – alles muss aus einem Guss sein. Jedes unserer Projekte hat einen ganz eigenen Look. Tech wird oft schon im Story-Prozess besprochen: Was geht? Was ist sinnvoll? Wir wollen, dass die Dinge lange laufen und das gerne auch auf alten Devices. Da kann man nicht nur für Festival-Jurys entwickeln, sondern muss sich auch den ein oder anderen Reality-Check gefallen lassen. Die Tatsache, das noch alles live ist, zeigt uns, dass der Prozess bisher ganz gut läuft.
Westerwelle: Wir sind ein neugieriges Team und wollen immer besser werden, denn natürlich klappen Dinge auch mal nicht direkt so, wie man es sich vorgestellt hat. Daher sind uns Retros im Projekt superwichtig, sowohl intern als auch mit dem Kunden. Wir arbeiten aber nicht klassisch “agil”, denn auch wir haben Deadlines und Delivery Dates, aber schnelle Sprint-Prozesse helfen unseren Projekten immer.
Was sich bei uns bewährt hat: Schnelles Prototyping! Also Konzepte und Konstrukte sichtbar machen – denn “only seeing is believing”. Über erste Clickdummies, Sizzle Reels oder anfassbare Prototypen können wir schnell Erwartungen abgleichen und dann iterieren, bis die Deadline “hittet”.
Was ist bisher euer absolutes Lieblingsprojekt?
Westerwelle: Man soll doch kein Lieblingskind haben. Außerdem sind sie viel zu unterschiedlich, um sie vergleichen zu können. Emotional gewinnt ganz klar “Unhome”. Unsere VR-Experience, bei der man Obdachlosigkeit mit eigenen Augen sieht. Der Prozess wurde schon vor Gründung der Firma angestoßen – NGO-Projekte brauchen immer länger, weil sie querfinanziert werden müssen. Wir waren unglaublich stolz, beim ADC endlich Premiere zu feiern und die Experience allen zeigen zu können.
Wübbe: Vom Business-Standpunkt ist es “Welcome to Everyday”. Das war und ist als interne Learning Plattform bei Siemens so erfolgreich, dass wir die Technik dahinter gerade zu einem eigenen Produkt und Geschäftsmodell namens “Curious Engine” weiterentwickeln.
Hennen: Das “Zukunfts-Ich” für Neue Leben war eine wahnsinnige Transformation für den Kunden. Die Vorgänger-Kampagne waren noch Pappaufsteller. Mehr digitale Transformation geht kaum. Für ZEIT für die Schule entwickeln wir Lernspiele, für Europa-Park super unterhaltsame AR Erweiterungen. Wir mögen sie alle.
Habt ihr Vorbilder – Personen oder Agenturen?
Westerwelle: Menschen mit klaren Zielen und Werten wie unsere Partner von Gobanyo finden wir beeindruckend. Hoch kreative und technische Arbeiter wie unsere Freunde von Elastique treiben einen immer wieder an, selbst auch noch einmal mehr um die Ecke zu denken.
Wübbe: In Punkto Prozesse, Employer Branding, Kommunikation tanken wir auch oft Inspiration und Denkanstöße aus der Start-Up Szene, dabei sind die Branchen eigentlich egal. Wir sind selbst ein “Speedboat” und gucken daher immer zu den anderen rüber, die genauso schnell unterwegs sind in ihren Prozessen und Entscheidungen.
Hennen: Ich ziehe auch viel Energie aus unserem direkten Wettbewerb. Zu sehen, was Artificial Rome, Elastique oder German Wahnsinn (von internationalen Beispielen fange ich gar nicht erst an) alles machen. Das Schöne ist: Wir sind untereinander alle befreundet und können uns jederzeit gegenseitig um Tipps bitten (und machen das auch). Das macht uns alle nur besser.
Was waren bisher die größten Herausforderungen bei Curious Company?
Westerwelle: Wir haben im Sommer 2020 gegründet. Eine Gründung im Lockdown kann man wohl eher mutig nennen. Die Polykrisen der 2020er-Dekade erschweren immer wieder Wachstum und Entwicklung, da erzähle ich wohl nichts Neues. Aber es ist in diesen unsteten Zeiten ist auch immer ein spannendes Element mit Chancen und neuen Bereichen für neugierige Köpfe versteckt.
Was sind eure Ziele für die nächsten Jahre? Wo wollt ihr in 5-10 Jahren stehen?
Wübbe: Wir wollen Neugier und digitaler Nachhaltigkeit immer wieder neue Bühnen bauen und relevante Projekte und Produkte entwickeln, die dauerhaft Bestand haben und wirkmächtig sind. Wenn uns das gelingt, sind wir sehr zufrieden.
Mit welchen Kunden würdet ihr gerne mal zusammenarbeiten?
Hennen: Alle, die Lust auf außergewöhnliche Kreation haben, die Menschen Freude macht und lange läuft. Wie der Zufall so will, trifft das exakt auf die Kund:innen zu, die wir schon haben. Aber vielleicht gibt’s da ja noch einen. Wir suchen immer Menschen, die genauso begeistert sind von digitalen, innovativen Story- und Gaming-getriebenen Ansätzen wie wir – dann entstehen tolle Ideen, Kampagnen und Produkte. Erobique hat mal diese sensationelle Zeile gesungen: “Ich schulde dem Leben das Leuchten in meinen Augen.” Die ist aus dem Song “Wann strahlst du?” (der gesamte Liedtext ist fantastisch). Wir suchen Menschen mit diesem Leuchten in den Augen. Gern auch Kund:innen.
Woher nehmt ihr eure Inspiration?
Westerwelle: Das meiste liegt wirklich die ganze Zeit vor einem, man muss es nur lesen und verstehen lernen. Wenn wir etwas noch nicht verstehen, lernen wir es bestmöglich. Das ist ein weiterer Leitsatz der Agentur. Neugierige hört nie auf. Ideen kommen daher von überall, beim Duschen oder Spazieren gehen. Und Inspiration kann in jedem TikTok-Reel lauern.
Wie wichtig sind euch Awards?
Hennen: Wir nutzen Awards als Qualitäts-Check. Eine Award-Jury ist die härteste Form des Feedbacks. Häufig sogar strenger als Kund:innen und Konsument:innen. Es wäre fast schade, das nicht zu nutzen. Unser Anspruch ist, dass unser ganz normales Tagesgeschäft, neben allen Zielen, die es (messbar) für Kund:innen erreicht, AUCH noch eine Auszeichnung von einer Fachjury bekommt. Wenn das klappt, rasten wir komplett aus. Die Auszeichnung als Rookie Agentur 2025 ist natürlich völliger Wahnsinn.
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